UPDATE +++ Die Europäische Kommission ist mit Ihrem Vorschlag gescheitert, das Pflanzengift Glyphosat für weitere fünf Jahre zu erlauben. Wie erwartet fanden die Mitgliedsländer heute in Brüssel weder dafür noch dagegen eine qualifizierte Mehrheit. Noch im November wird sich nun der Berufungsauschuss mit der Frage befassen, teilte eine Sprecherin mit. Demnach stimmten 14 Mitgliedsländer für den Kommissionsvorschlag, neun dagegen und fünf enthielten sich der Stimme, darunter Deutschland. Wie heute bekannt wurde hatte Bundesagrarminister Schmidt der EU-Kommission gestern seine Bereitschaft signalisiert, einer Verlängerung für drei Jahre zuzustimmen. In einem Brief an Gesundheitskommissar Andriukaitis bat er darum, die 2016 gemeinsam mit dem Umweltministerium eingebrachte Biodiversitätsklausel mit aufznehmen. Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth kritisierte das auf Twitter als nicht abgestimmten und wenig sondierungsfreundlichen Vorstoß. Die Grünen hatten im Zusammenhang mit den Sondierungsverhandlungen für eine Jamaika-Koalition bislang von der CDU gefordert, Glyphosat nicht parallel in Brüssel durchzuwinken. Nach einem Gutachten der Juristin und ehemaligen französischen Umweltministerin Corinne Lepage ist es rechtlich auch gar nicht möglich, die am 15.12. endende Zulassung für das Totalherbizid zu erneuern oder zu verlängern. Das würde sowohl dem Vorsorgeprinzip als auch den Prinzipien des Risikomanagements widersprechen, schreibt die Expertin für Umweltrecht in einem Gutachten im Auftrag des grünen Europaabgeordneten Claude Turmes. Es gebe genügend Hinweise auf die Gefahren von Glyphosat für Gesundheit und Umwelt. Die aktuell vorliegende Zulassung sei nach Europarecht ungültig, so Lepage. Und eine Genehmigung, die nicht mehr gültig sei, könne weder erneuert noch verlängert werden, argumentiert die Juristin. 2002 wurde Glyphosat erstmals auf europäischer Ebene formal zugelassen – bis zum 30.6.2012. Seither verlängerten die EU-Gremien die Zulassung dreimal – bis 15.12.2017. Lepage weist darauf hin, dass eine Erstgenehmigung nach EU-Recht nur für maximal zehn Jahre erteilt werden darf. Glyphosat sei jedoch 15 Jahre nach der ersten EU-Zulassung immer noch im Einsatz. Das sei illegal. Sie plädiert dafür, das Pflanzengift innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Übergangsfrist von 18 Monaten vom Markt zu nehmen. Der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling warf der EU-Kommission ein falsches Spiel vor. Die Diskussion um den Verlängerungszeitraum solle davon ablenken, dass die Kommissare den Einsatz der Gifte auf den Äckern gar nicht beschränken wollen, schreibt Häusling in einem Gastbeitrag für Euractiv. „Nicht die Zahl zählt, sondern das Ziel. Und das muss Ausstieg heißen.“ Er wirbt für den Ausstiegsplan bis 2022, den das Europaparlament unlängst beschlossen hatte. Auch die Pestizidexpertin des Bund für Umwelt- und Naturschutz kritisiert, dass der Vorschlag der EU-Kommission weder Auflagen noch ein Ausstiegsdatum enthalte. Mensch und Natur seien dem Ackergift weiterhin unbeschränkt ausgesetzt, so Heike Moldenhauer, und die Zulassung könnte nach fünf Jahren sogar weiter verlängert werden. [vef]Presseinfo EU-Kommission: EU-Kommissare sprechen über Glyphosat-Zulassung (8.11.2017)Gutachten der Umweltrechtsexpertin Corinne Lepage zur Wiederzulassung von Glyphosat (31.10.2017)finanznachrichten.de: Frankreich will Glyphosat-Zulassung nur um drei Jahre verlängern (8.11.2017)Martin Häusling auf EURACTIV.de: Glyphosat - Ausstieg statt Laufzeitverlängerung! (8.11.2017)BUND e.V. Kommentar: EU-Mitgliedstaaten müssen Glyphosat-Wiederzulassung ablehnen (8.11.2017)Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt - EU-Regularien: Glyphosat - einfache Mehrheit reicht nicht (2.11.2017)FAZ-Gastkommentar zur Glyphosat-Entscheidung: Kinder schützen, nicht Pestizide (8.11.2017)Dossier: Gentechnik & Glyphosat ("Roundup")STS Jochen Flasbarth on Twitter: Gibt es noch irgendwelche Regeln, die in der Regierung eingehalten werden? (9.11.2017)