Pflanzenzüchtung Züchtung LaborIn ihrer neuen Forschungsstrategie will die Bundesregierung „auch die Chancen und Risiken von neuen Züchtungstechniken (zum Beispiel Crispr/Cas) in den Blick nehmen“. Im europäischen Verfahren zur Reform des Gentechnikrechts werde sie sich „konstruktiv“ einbringen, „um die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige und resiliente Züchtungsforschung zu stärken“, heißt es in dem Papier, um das die Koalitionäre dem Vernehmen nach intensiv gerungen haben. Ein Blick in den ursprünglichen Entwurf der „Zukunftsstrategie Forschung und Innovation“ des FDP-geführten Forschungsministeriums (BMBF) zeigt, was sich dabei verändert hat. So hieß es in dem Entwurf vom Oktober vergangenen Jahres etwa, man werde „unter anderem die Erforschung sogenannter neuer Züchtungstechniken (zum Beispiel Crispr/Cas) voranbringen und deren Nutzung vereinfachen“. Während die Ampelregierung also jetzt Chancen wie Risiken relativ neutral „in den Blick nehmen“ will, stand für das BMBF ursprünglich schon vor der Erforschung der neuen Gentechnik (NGT) das Ziel fest, ihre Nutzung zu vereinfachen. Hintergrund ist, dass die Koalitionspartner beim Thema NGT völlig unterschiedliche Positionen vertreten. Während die FPD neue gentechnische Verfahren als Innovationen begrüßt und die europarechtlichen Regeln liberalisiert sehen möchte, betonen SPD und die Mehrheit der Grünen, dass man zunächst die Risiken erforschen und NGT-Produkte weiterhin kennzeichnen und rückverfolgbar machen müsse. Auseinandersetzen mussten sich darüber in der Ressortabstimmung zur Zukunftsstrategie die grün geführten Ministerien für Landwirtschaft (BMEL) und Umwelt (BMUV) sowie das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) unter der ausgewiesenen Gentechnikkritikerin Svenja Schulze (SPD). Diese Woche verabschiedete dann das Kabinett die Strategie. Besonders genau beobachtet wird diese Auseinandersetzung auch deshalb, weil das Ergebnis Hinweise gibt, wie Deutschland über den für Sommer erwarteten Regelungsvorschlag der EU-Kommission zu NGT in Brüssel abstimmen könnte. Im Strategieentwurf des BMBF hatte es zu diesem Thema zunächst geheißen: „Wir … setzen uns dafür ein, das (EU-)Gentechnikrecht grundsätzlich zu überarbeiten und die Regelungen am jeweiligen Risiko der konkreten genetischen Veränderung im jeweiligen Organismus bzw. Produkt auszurichten.“ Das hätte eine Abkehr von den geltenden europarechtlichen Regeln bedeutet und neue gentechnische Verfahren konventionellen Züchtungstechniken bei der Beurteilung gleichgestellt. Nach der Ressortabstimmung mit BMUV, BMEL und BMZ heißt es jetzt nur noch, man werde sich in Brüssel konstruktiv einbringen. Welche Maßnahmen helfen sollen oder um welche Technologien es bei der nachhaltigen und resilienten Züchtungsforschung gehen soll, lässt die Ampelkoalition offen. Experten erwarten, dass die EU-Kommission vorschlagen wird, die geltenden strengen Regeln für NGT zu lockern. Sollte sich die Ampelkoalition bis zu der für Jahresende erwarteten Abstimmung nicht auf eine gemeinsame Position einigen können, wird sich Deutschland wie zu Zeiten der Großen Koalition enthalten müssen. Zur Frage eines Anbaus von NGT-Pflanzen in Deutschland äußert sich das Forschungspapier nicht explizit. Im Ursprungsentwurf sollte die „Nutzung der Ergebnisse in allen Anwendungsgebieten biotechnologischer Verfahren“ unterstützt werden. Hier könnte man mit etwas Phantasie den Anbau von NGT-Pflanzen herauslesen. Diese Passage fehlt aber in der Endfassung. Danach will die Ampel nicht die neuen Technologien voranbringen, sondern „die Züchtung und Nutzung von klima- und standortangepassten, robusten und ertragreichen Sorten …, auch für den ökologischen Landbau“. Und vor allem für letzteren kommen dabei keine gentechnischen Verfahren in Betracht. Was allerdings auffällt ist, dass unter den 17 genannten Indikatoren zur Erfolgskontrolle der Strategie keine sind, anhand derer man ihre Klimawirkung oder ihre Wirkung auf Biodiversität, Umwelt oder Gesundheit der Menschen prüfen könnte. Es handelt sich lediglich um wirtschaftliche Kennzahlen wie Zahlen zu Unternehmensgründungen oder Beschäftigten im Forschungssektor. Der Naturschutzbund NABU kritisierte denn auch in seiner Stellungnahme, den „ungebrochenen Glauben an technologische Lösungen wie Wasserstoff, Gentechnik und Fusionsforschung als Heilsbringer“ gegen die drängenden Probleme unserer Zeit. [vef]