UPDATE +++ Da sich nicht die nötige Mehrheit für einen weiteren Einsatz des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat abzeichnete, vertagten die EU-Mitgliedsländer heute in Brüssel erneut ihre Abstimmung dazu. Das Europäische Parlament hatte sich gestern dafür ausgesprochen, Glyphosat ab 2022 endgültig zu verbieten. Die EU-Kommission hatte daraufhin ihren Vorschlag, das Herbizid für zehn Jahre zu erlauben, auf fünf bis sieben Jahre verkürzt. Doch auch eine Zulassung für diesen Zeitraum fand bei einem Meinungsbild heute im zuständigen Brüsseler Ausschuss keine qualifizierte Mehrheit, verlautete aus gut informierten Kreisen. Es seien zwar 16 EU-Mitgliedsländer dafür gewesen, die Zulassung des Herbizids zu verlängern, darunter Polen, Holland und Spanien. Eine qualifizierte Mehrheit unter den 28 EU-Mitgliedern wäre jedoch erst erreicht, wenn die 16 Staaten auch 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentierten. Frankreich, Italien, Österreich und Belgien sollen sich gegen den Vorschlag gewandt haben. Deutschland kann sich laut Koalitionsvertrag der geschäftsführenden Bundesregierung nicht positionieren, weil Agrar- und Umweltministerium uneins sind. Insidern zufolge wurde in Brüssel auch sondiert, wie die Länder zu einer Verlängerung von drei Jahren stehen. Da dem Vernehmen nach Details offen blieben - wird die Zulassung mit Auflagen erteilt, läuft sie anschließend aus - besteht wohl noch Beratungsbedarf. Die Kommission werde weiter nach einem Kompromiss mit einer möglichst breiten Zustimmung unter den 28 EU-Mitgliedern suchen, sagte eine Sprecherin nach der Ausschusssitzung. Glyphosat ist derzeit nur bis 15.12.2017 zugelassen. Der Vorsitzende der Agrarministerkonferenz, der niedersächsische Ressortchef Christian Meyer, bezeichnete die vertagte Abstimmung gegenüber der Deutschen Presse-Agentur als einen „Kniefall vor der Chemielobby“. Dabei kritisierte der Grüne die „unrühmliche Rolle“ der Bundesregierung. Der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner will in einer möglichen Jamaika-Koalition einen schnellen Glyphosat-Ausstieg besiegeln. Dafür werde man sich bei den Koalitionsgesprächen mit CDU und FDP einsetzen. Unterdessen schloss sich die SPD-Bundestagsfraktion der Forderung des Europäischen Parlaments an, Glyphosat ab 2022 zu verbieten. In einem nationalen Ausstiegsplan müsse verstärkt auf Forschung für alternative Bewirtschaftungsmethoden und ökologisch verträglichere Pflanzenschutzmittel gesetzt werden, verlangten die SPD-Parlamentarier. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) forderte die EU-Kommission ebenfalls auf, sich an der rechtlich nicht bindenden Entscheidung des Europäischen Parlaments zu orientieren. Ab 2018 sollte das Breitbandherbizid im Haus- und Kleingartenbereich sowie im öffentlichen Grün verboten werden. NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller verwies auf eine repräsentative Umfrage, wonach 74 Prozent der Deutschen dafür sind, Glyphosat sofort zu verbieten. Für einen sofortigen Einsatzstopp plädierte auch der Vorsitzende des Bund für Umwelt- und Naturschutz, Hubert Weiger, nachdem die EU-Kommission in fünf Anläufen keine Mehrheit für eine weitere Zulassung organisieren konnte. Dabei solle sie sich nicht von Klagedrohungen des Herstellers Monsanto schrecken lassen, der „einmal mehr das Bild eines skrupellosen, von Profitgier getriebenen Agrarkonzerns“ abgebe. „Jedes weitere Jahr Glyphosat ist eines zu viel“, so der Referent für Agrarpolitik im Umweltinstitut München, Karl Bär. „Die Zerstörung der Artenvielfalt, die Gefahren für unsere Gesundheit und das korrumpierte Zulassungsverfahren sind nicht akzeptabel.“ [vef]Presseinfo Europäisches Parlament - Glyphosat: Parlament fordert endgültiges Verbot des Herbizids bis Ende 2022 (24.10.2017)t-online - Agrarminister-Chef: Berlin bei Glyphosat unverantwortlich (25.10.2017)SPD-Bundestagsfraktion: Deutschland muss raus aus der Glyphosatanwendung (25.10.2017)Pressemitteilung: NABU-Statement zur Glyphosat-Abstimmung in Brüssel (25.10.2017)BUND e.V.: EU Kommission scheitert einmal mehr – Glyphosat muss vom Markt verschwinden (25.10.2017)Umweltinstitut München: Umweltinstitut fordert schnelles Glyphosatverbot (25.10.2017) YouTube: A herbicide-free future. Considering solutions across Europe. (18.10.2017)Dossier: Gentechnik & Glyphosat ("Roundup")