Pappel Baum BäumeErstmals pflanzt ein US-Unternehmen in großem Stil gentechnisch veränderte Bäume in freier Natur. Es hat die Gene der Pappeln mit dem Ziel verändert, mehr Biomasse zu erzeugen und damit mehr Kohlendioxid zu binden. Wissenschaftler sind skeptisch, ob das im Wald ebenso funktioniert wie im Labor. Trotzdem plant das Unternehmen, im Jahr 2024 Millionen dieser Pappeln anzubauen. Living Carbon ist ein vier Jahre altes Startup-Unternehmen aus Kalifornien. Es hat ein ursprünglich an Tabakpflanzen entwickeltes Genkonstrukt auf Pappel-Hybride übertragen. Dabei wurden künstlich hergestellte Gene von Kürbis und Grünalgen in das Erbgut der Bäume eingeschleust. Sie sollen den Photosynthese-Stoffwechsel so verändern, dass die Pflanze aus dem Kohlendioxid der Luft und Sonnenlicht mehr Biomasse in Form von Blättern und Holz produziert als üblich. Beschrieben ist das Verfahren in einem Papier, das Living Carbon vor einem Jahr auf dem PrePrint-Server bioRxiv veröffentlicht hat. Es ist bis heute nicht von Experten begutachtet in einer Fachzeitschrift erschienen. In dem Papier berichten die Wissenschaftler:innen des Unternehmens, dass die von ihnen gezüchteten gentechnisch veränderten (gv) Pappeln in Laborversuchen innerhalb von fünf Monaten 30 bis 50 Prozent mehr Biomasse produzierten als die unveränderten Bäumchen. Allerdings ließ sich der Effekt nur bei zwei der vier überprüften gv-Linien nachweisen. Berichtet wird auch, dass die Universität von Oregon im Juli 2021 für einen Feldversuch 672 Pappeln von Living Carbon pflanzte, elf gv-Linien sowie unveränderte Kontrollbäume. Noch liegen von diesem Feldversuch keine Ergebnisse vor. Die New York Times (NYT) zitierte den Versuchsleiter der Universität, Steve Strauss: „Er sagte, die Bäume wüchsen gut, aber es sei noch zu früh, um festzustellen, ob sie die nicht veränderten Bäume übertreffen werden.“ Doch Living Carbon hat nach einem Bericht des Blattes bereits den nächsten Schritt unternommen und zusammen mit einem Waldbesitzer 5000 gv-Pappeln gepflanzt. Weitere Anbauprojekte sollen noch in diesem Frühjahr folgen. So soll ein alter Tagebau renaturiert werden. Das Portal freethink.com schreibt von 60.000 Bäumen insgesamt. Für 2024 kündigte das Unternehmen an, mehrere Millionen seiner gv-Pappeln pflanzen zu wollen und sucht dafür aktiv nach Waldbesitzern. Risikokapitalgeber, darunter Toyota Ventures und der Staatsfonds Temasek aus Singapur, haben Living Carbon nach eigenen Angaben mit 36 Millionen US-Dollar an Kapital ausgestattet. Später will das Unternehmen mit Zertifikaten für das von den Pappeln aus der Atmosphäre entnommene Kohlendioxid Geld verdienen. Anders als bei gv-Kastanien, deren Auswilderung in den USA umstritten und noch nicht behördlich genehmigt ist, darf Living Carbon seine gv-Pappeln ohne jede Genehmigung pflanzen und verkaufen. Das Unternehmen nutzte dazu eine Lücke in der US-Gesetzgebung, die inzwischen geschlossen wurde, erklärte die NYT. Ursprünglich war das Genkonstrukt mit Hilfe von Bakterien in die Pappeln geschleust worden. Dieses Verfahren wäre genehmigungspflichtig. Deshalb hat das Unternehmen seine gv-Setzlinge noch auf einem anderen Weg produziert: Mit einer Gen-Kanone wurden die fremden Gene ins Erbgut der Pappel geschossen. Dafür verlangte das US-Landwirtschaftsministerium keine Genehmigung. Im andauernden Zulassungsverfahren des Ministeriums für die mittels Bakterien veränderten Kastanien endete am 26. Januar die öffentliche Beteiligung. „Die langfristigen Risiken dieser gentechnisch veränderten Bäume, ihrer Pollen oder Samen für Wälder, Wildtiere oder die menschliche Gesundheit sind nicht bekannt“, mahnt die Kampagne zum Stop von gv-Bäumen. Zwar sind die von Living Carbon gepflanzten gv-Pappeln alle weiblich, produzieren also keine Pollen. Doch sie können von anderen Pappeln befruchtet werden und ihre Eigenschaften über die Samen weitergeben. Angesichts fehlender Daten aus Freilandversuchen haben selbst Wissenschaftler Zweifel, ob die Rechnung von Living Carbon und seiner Kapitalgeber aufgehen wird: "Ihre Behauptungen scheinen kühn zu sein, basierend auf sehr begrenzten realen Daten", zitiert die New York Times den leitenden Kastanienforscher des SUNY College of Environmental Science and Forestry im US-Bundesstaat New York. Eine wichtige Rolle bei der zukünftigen wirtschaftlichen Nutzung von gv-Pappeln und anderen gv-Bäumen kommt dem Forest Stewardship Council (FSC) zu. Diese Organisation steht mit ihren Standards und ihrem Siegel für eine zertifiziert nachhaltige Forstwirtschaft und hatte bisher gv-Bäume komplett ausgeschlossen. Doch inzwischen erlaubt sie ihren Mitgliedern, Anbauversuche mit gv-Bäumen durchzuführen. Im Zuge eines „Gentechnik-Lernprozesses“ (GELP) will die Organisation Erfahrungen sammeln, ob sie zertifizierten Holzproduzenten den kommerziellen Anbau von gv-Bäumen außerhalb des FSC-Systems künftig gestatten wird. Im März will der Vorstand des FSC entscheiden, ob das GELP weiter fortgesetzt werden soll. Die Kampagne zum Stop von gv-Bäumen hat den FSC aufgefordert, zu seiner strikten Ablehnung der Gentechnik in der Forstwirtschaft zurückzukehren und das GELP einzustellen. [lf/vef]