Forschende des britischen Roslin Institutes, des staatlichen britischen Forschungszentrums APHA und der Universität Lübeck haben mit Hilfe des neuen gentechnischen Verfahrens (NGT) Crispr/Cas eine kleine Herde von Schweinen erzeugt, die sich nicht mit dem Erreger der klassischen Schweinepest infizieren ließen. Dazu nutzten sie die Tatsache, dass das Schweinepestvirus in den Zellen der Tiere ein bestimmtes Eiweiß namens DNAJC14 zum Andocken braucht. Bekannt war bereits, dass es genügt, eine Aminosäure dieses Proteins zu verändern, um zu verhindern, dass das Virus andockt und sich anschließend in der Zelle vermehrt. Die Forschenden stellten mit Hilfe von Crispr/Cas Schweine her, bei denen im Eiweiß DNAJC14 genau jene Aminosäure verändert ist. Sie setzten die Tiere den Viren aus, doch die Schweine zeigten keine Anzeichen einer Infektion und produzierten auch keine Antikörper. Sie waren resistent. Die Afrikanische Schweinepest, die derzeit in Nordrhein-Westfalen wieder Wildschweine dahinrafft, würden sie trotzdem bekommen. Denn diese wird durch einen anderen Erreger ausgelöst.
Die klassische Schweinepest (KSP) wurde in Deutschland zuletzt 2006 in einem Schweinestall und 2009 bei einem Wildschwein diagnostiziert. Die EU verzeichnete den letzten Fall 2015 in Lettland. Aktuell kommt die Krankheit in einigen asiatischen und südamerikanischen Ländern vor. Es gibt einen Impfstoff dagegen. Von den KSP-resistenten Schweinen werden Schweinehalter in Russland, China oder Brasilien vorerst nicht profitieren. Die Forschenden selbst schreiben, mit ihrer kleinen, resistenten Schweineherde hätten sie den Technologie-Reifegrad vier erreicht. Es gebe bei den Tieren keine sichtbaren Defizite. Doch müsse nun untersucht werden, ob sich wichtige Parameter für das Tierwohl und die Produktion verändert hätten. Für die Vermarktung bräuchte es den Reifegrad neun.
Auch die vom deutschen Science Media Center (SCM) befragten Expert:innen wiesen auf offene Fragen hin: Es müsse noch bewiesen werden, „dass diese Tiere durch den genetischen Defekt nicht zufälligerweise weniger widerstandsfähig gegen ubiquitär vorkommende Schweinekrankheiten sind“, sagte der Schweizer Tiervirologe Nicolas Ruggli dem SCM. Für Alexander Postel von der Tierärztlichen Hochschule Hannover ist eine „gründliche Untersuchung der Tiere auf mögliche unerwünschte Nebenwirkungen von zentraler Bedeutung“. Für Martin Beer vom bundeseigenen Friedrich-Loeffler-Institut braucht es weitere Studien, um mögliche Anpassungen des Virus an den Resistenzmechanismus zu beleuchten. Zwar waren sich die vom SCM Befragten einig, dass es dem KSP-Virus schwerfallen dürfte, die Resistenz zu umgehen. Ausschließen wollten sie es jedoch nicht. Ruggli und Postel wiesen darauf hin, dass es Varianten des KSP-Virus gebe, die nicht zwingend das Eiweiß DNAJC14 für ihre Vermehrung brauchen.
Wie lange es vom ersten gelungenen Experiment bis zur kommerziellen Vermarktung dauern kann, zeigt die Entwicklung von Gentech-Schweinen, die gegen die Atemwegserkrankung PRRS (Porcine Reproductive and Respiratory Syndrome) resistent sind. Auch sie wird von einem Virus ausgelöst, das an ein bestimmtes Eiweiß andocken muss. Forschende des Roslin Instituts stellten 2018 die ersten Schweine vor, die sie dagegen resistent gemacht hatten. Sieben Jahre später bekam der britische Tierzuchtkonzern Genus in den USA und mehreren lateinamerikanischen Staaten die Erlaubnis, solche Tiere auch zu vermarkten. Tatsächlich verkaufen will sie der Konzern in den USA aber erst, wenn die Tiere auch in wichtigen Exportmärkten für US-Schweinefleisch wie Kanada oder Japan zugelassen sind.
Für die EU hat Genus bisher keinen Zulassungsantrag für seine PRRS-resistenten Schweine gestellt. Hier müssten sie ein strenges Zulassungsverfahren durchlaufen. Noch, denn Anfang August 2025 veröffentlichten die Gentechnikexpert:innen der EU-Lebensmittelbehörde EFSA die endgültige Fassung ihres Gutachtens über mögliche Risiken durch NGT-Tiere. Ihre Position: Solange kein fremdes gentechnisches Material eingeführt, sondern nur einzelne Gene im Erbgut geändert würden, seien die Risiken mit denen der herkömmlichen Zucht vergleichbar und neue Risiken nicht erkennbar. Genauso hatte die EFSA auch bei NGT-Pflanzen argumentiert. Mit dem Ergebnis, dass die EU-Kommission die meisten dieser Pflanzen aus dem Gentechnikrecht herausnehmen will, so dass sie ohne Zulassung und Risikobewertung vermarktet werden können. Bei den NGT-Pflanzen hatte zuletzt das deutsche Bundesamt für Naturschutz belegt, dass die EFSA-Annahme, NGT-Pflanzen seien gleichwertig mit herkömmlicher Zucht, wissenschaftlich nicht haltbar ist. Bei NGT-Tieren wies das Münchner Institut Testbiotech in einem Bericht im März 2025 darauf hin, mit Hilfe von NGT könnten „Mutationen und neue Genkombinationen herbeigeführt werden, die bisher unbekannt und oft auch kaum mit anderen Methoden erreichbar sind“. Deshalb müssten neue Genvarianten, die aus der konventionellen Zucht bisher nicht bekannt seien, „eingehend auf gewollte und ungewollte Auswirkungen untersucht werden, um Umwelt, VerbraucherInnen, Lebensmittelherstellung, Landwirtschaft und Züchtung ausreichend zu schützen“. [lf]
