Morgen will die Bundesregierung ihr Aktionsprogramm Insektenschutz in konkrete Gesetzestexte umsetzen. In letzter Minute haben sich Medienberichten zufolge Umwelt- und Landwirtschaftsministerin auf eine gemeinsame Vorlage für die Kabinettssitzung geeinigt. Doch selbst wenn das Kabinett grünes Licht gibt: Mehrere Bundesländer haben bereits angekündigt, im Bundesrat gegen das Gesetzespaket zu votieren. Zur Erinnerung: Bereits im Juni 2018 einigte sich das Bundeskabinett auf Eckpunkte für ein Aktionsprogramm Insektenschutz und beschloss im September 2019 das fertige Programm. Es stieß damals auf massive Kritik der Bio- und Umweltverbände, weil es den Glyphosatausstieg auf 2023 verschob und keine konkreten Gesetzesvorschläge enthielt. Im August 2020 schließlich verschickte Umweltministerin Svenja Schulze den Referentenentwurf für ein Insektenschutzgesetz. Dieses sah vor, dass in Gebieten, die unter dem Schutz der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU stehen, keine Insektizide und Herbizide mehr ausgebracht werden dürfen. Zudem sollen die Landwirte beim Spritzen strikte Abstände zu Gewässern einhalten. Im Dezember bremste Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner einen Versuch ihrer Kollegin aus, das Insektenschutzgesetz ins Kabinett einzubringen. Sie verwies dabei darauf, dass ihr Teil der Umsetzung des Aktionsprogramms noch in Arbeit sei. Ende Januar legte sie eine Änderung der Pflanzenschutzmittel-Anwendungsverordnung vor, die den Einsatz von Glyphosat beschränken soll und wie das Insektenschutzgesetz Einsatzverbote in Schutzgebieten vorsieht. In Verhandlungen, die bis gestern andauerten, fanden die beiden zerstrittenen Ministerinnen schließlich einen Kompromiss. Statt ein eigenes Insektenschutzgesetz zu erlassen, soll nun das Bundesnaturschutzgesetz geändert werden. Unabhängig davon laufen die Bauernverbände seit Tagen mit Protestbriefen und Demonstrationen Sturm, wobei sich der Unmut vor allem gegen die Umweltministerin richtet. Die Landwirtschaftsminister von Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen teilten laut topagrar online bereits mit, dass sie die Pflanzenschutzmittel-Anwendungsverordnung im Bundesrat ablehnen werden. Auch der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD) kündigte Widerstand gegen die Pläne seiner Parteikollegin Schulze an. Rückendeckung bekam die Bundesumweltministerin von zahlreichen Umweltorganisationen. Sie bezeichneten in einer gemeinsamen Mitteilung das Gesetzespaket „als dringend notwendigen Schritt für mehr Insektenschutz in der Agrarlandschaft“. Die Bundesregierung müsse zu ihrem Wort stehen. Käme es jetzt nicht zu einer Lösung, würde es in dieser Legislaturperiode keine gesetzliche Regelung für einen besseren Insektenschutz mehr geben. „Dies wäre eine Bankrotterklärung und würde die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung erheblich gefährden“, betonten die Verbände. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) begrüßte zwar die Ziele des Gesetzes, lehnt aber Einschränkungen etwa in Schutzgebieten ohne Kompensationszahlungen für die Landwirte ab. Es dürfe nicht sein, „dass der ordnungsrechtliche Rahmen für viele landwirtschaftliche Betriebe einseitig verschärft wird, ohne dass hierfür ein ökonomischer Ausgleich geschaffen wird“, sagte der AbL-Bundesvorsitzende Martin Schulz und verwies dabei auf die in Niedersachsen zwischen Naturschützern und der Landwirtschaft getroffenen freiwilligen Vereinbarungen zum Insektenschutz. Auch der Bio-Dachverband „Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft“ forderte: „Bund und Länder müssen die Voraussetzungen für den finanziellen Ausgleich höherer Auflagen beim Insektenschutz schaffen“. Mehr Geld für den Insektenschutz hätten die Agrarminister der Länder auf ihrer Konferenz am vergangenen Freitag lockermachen können. Die grünen Agrarminister hatten vorgeschlagen, für 2022 zehn Prozent der Agrarsubventionen von den Direktzahlungen der sogenannten ersten Säule in die Umweltprogramme der zweiten Säule zu verlagern. Doch die CDU-Agrarminister hielten an den bisherigen sechs Prozent fest. Der mecklenburgische Agrarminister Till Backhaus (SPD) schlug als Kompromiss 7,5 Prozent vor und wollte die zusätzlichen 1,5 Prozent gezielt für den Insektenschutz einsetzen. Dieser Vorschlag scheiterte an der fehlenden Einstimmigkeit. 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