Ursprünglich wollte das Parlament das Moratorium nur um zwei Jahre bis Ende 2027 fortschreiben. Doch die Regierung, der Bundesrat, hielt diese Frist für zu kurz. Es bestehe das Risiko, dass die zur Verfügung stehende Zeit nicht ausreichen werde, um den NGT-Gesetzentwurf im Parlament zu behandeln und vor Ende 2027 zu verabschieden, gab sie zu bedenken. Deshalb solle das Moratorium um fünf Jahre verlängert werden. Das NGT-Gesetz „kann ohne Weiteres vor Ende 2030 in Kraft gesetzt werden, sofern die Behandlung im Parlament rasch erfolgt. Damit Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien dann auch zugelassen werden können, muss gleichzeitig für sie das Moratorium aufgehoben werden“, schrieb der Bundesrat den Abgeordneten. Diese folgten daraufhin dem Regierungswunsch. Martina Munz, Präsidentin der Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG) kommentierte die Verlängerung deshalb als „Erfolg mit bitterem Nachgeschmack“.

Das „Bundesgesetz über Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien“ hatte der Bundesrat Anfang April 2025 als Entwurf vorgelegt und in die öffentliche Anhörung gegeben, die in der Schweiz Vernehmlassung heißt. Deren Frist lief am gestrigen 9. Juli aus. Bis dahin gingen zahlreiche Stellungnahmen bei der Regierung ein. So lehnt die SAG den Gesetzentwurf des Bundesrates ab. Auch die neue Gentechnik sei Gentechnik und erlaube eine „bisher unvorstellbare Eingriffstiefe“, schrieb die SAG. Dies sei mit neuartigen und weitgehend unerforschten Risiken verbunden. Deshalb gebe es „weder rechtlich noch wissenschaftlich einen Grund dafür, sie aus dem Gentechnikgesetz auszunehmen“. Die SAG kritisierte auch, dass sowohl der Titel des Gesetzes als auch die darin vorgesehene Kennzeichnung „aus neuen Züchtungstechnologien“ die Verbraucher:innen in die Irre führen würden.

Der Verein für gentechnikfreie Lebensmittel schrieb der Regierung, ihr geplantes Gesetz bringe die Schweizer Landwirtschaft keinen Schritt weiter, sondern verteuere wegen der Kosten für Koexistenzmaßnahmen und Warenflusstrennung die gentechnikfreie Produktion. Der Verein ist Träger der Volksinitiative Lebensmittelschutz. Sie will mit einem Referendum strikte Regeln für den Einsatz neuer gentechnischer Verfahren (NGT) in der Schweizer Landwirtschaft in der Verfassung festschreiben lassen, darunter auch eine Kennzeichnungspflicht und ein Patentverbot. Die Kosten, um die Koexistenz mit der gentechnikfreien Landwirtschaft zu sichern, sollen die Verursacher tragen. Der Verein hat eine Umfrage in Auftrag gegeben, der zufolge sich 91 Prozent der Befragten für eine verpflichtende Risikoprüfung von NGT aussprechen. Fast ebenso hoch war mit 90 Prozent die Zustimmung für eine verpflichtende NGT-Kennzeichnung entlang der Lebensmittelkette. Gleichzeitig lehnte nur gut die Hälfte der Befragten NGT komplett ab. Dies zeigt, dass viele Menschen, die NGT eher aufgeschlossen gegenüberstehen, dennoch Risikoprüfung und Kennzeichnung für notwendig halten. Kritische Stellungnahmen gaben auch die Stiftung Konsumentenschutz und BioSuisse ab.

Die von der Schweizer Regierung eingesetzte Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) teilte in ihrer Stellungnahme die Kritik am Namen des Gesetzes. Sie empfahl der Regierung, NGT statt in einem Spezialgesetz im bestehenden Gentechnikgesetz zu regeln und die dort „verankerten risikobasierten Zulassungsverfahren für alle gentechnischen Verfahren anzuwenden“. Einige Argumente der Ethikkommission sind auch für die NGT-Diskussion in der EU relevant. So schreibt die EKAH, es gebe „wissenschaftlich keine plausiblen Gründe, davon auszugehen, dass transgene Produkte per se risikobehafteter sind als nicht-transgene Produkte aus gezielter Mutagenese oder gezielter Cisgenese“. Zu Kennzeichnung und Nachweisbarkeit von NGT-Pflanzen heißt es: „Eine fehlende Nachweisbarkeit ist für die EKAH kein statthaftes Argument angesichts der Güter, die bei einem Kennzeichnungsverzicht zur Debatte stehen.“ Und schließlich gibt die Kommission noch zu bedenken: „Für die EKAH bleibt eine offene Frage, wie die Wahlfreiheit und die Koexistenz gewährleistet werden können, sollte sich nach einer Zulassung und Freisetzung herausstellen, dass sich eine Pflanze anders als erwartet verhält. Die Pflanzen können, insbesondere wenn sich die Schäden erst langfristig zeigen, nicht mehr zurückgeholt werden.“

Unterstützung bekam die Regierung für ihren Entwurf unter anderem vom Schweizer Bauernverband. Dem Lobbyverein Sorten für morgen, der Akademie der Wissenschaften und der Hochschule ETH gehen dagegen die vorgesehenen Erleichterungen für NGT nicht weit genug. Sie plädieren für eine weitgehende Freigabe ohne Risikoprüfung und Kennzeichnung wie sie auch die EU-Kommission durchsetzen will. Wie das Portal „Schweizer Bauer“ berichtet, soll die Gesetzesvorlage zur neuen Gentechnik dem Parlament im ersten Quartal des kommenden Jahres vorgelegt werden. [lf]