Der französische EP-Abgeordnete Christophe Clergeau warf der EU-Kommission und dem Rat der EU-Mitgliedstaaten eine Blockadehaltung bei den Verhandlungen vor. Während das EP im Frühjahr 2024 mehrheitlich für eine Kennzeichnung von NGT-Pflanzen votiert hatte, sehen die Vorlagen von Rat und Kommission diese nur für das Saatgut vor. Und da letztere sich bei den Trilog-Verhandlungen nicht bewegt hätten, habe die Berichterstatterin des EP beantragt, die heutige Sitzung abzusagen, teilte der PSE-Abgeordnete am Freitag mit. Zuletzt fürchtete er gar, dass die bei der Europawahl im Juni 2024 erstarkte Rechte im EP den Mehrheitsbeschluss zur Kennzeichnung opfern könnte, um die Trilogverhandlungen über den NGT-Entwurf abschließen zu können.

„Das abgesagte Trilog-Treffen unterstreicht einmal mehr, dass der Vorschlag für die Neuregulierung der Neuen Gentechnik unausgereift war“, resümierte der grüne EP-Abgeordnete Martin Häusling. Er forderte die EU-Kommission auf, ihn zurückzuziehen. „Entscheidungen dieser Tragweite verdienen eine intensive Diskussion und Austausch. Dieser ist bislang bei den Verhandlungen zu kurz gekommen…. Jeder Verbraucher muss wissen können, ob in seinem Essen … die neue Gentechnik zum Einsatz gekommen ist“, forderte Häusling. Unterschiedliche Auffassungen gibt es auch zur Patentierbarkeit von NGT-Pflanzen. Das Parlament will diese stark einschränken, Mitgliedstaaten und Kommission sehen dafür keinen Grund.

Nach einer Auftaktsitzung am 6. Mai hatten die Unterhändler:innen in zehn technischen Meetings nach Kompromissen gesucht, wie die polnische Ratspräsidentschaft dem Agrarministerrat am Dienstag vergangener Woche berichtete. Der polnische Landwirtschaftsminister Czesław Siekierski gab sich auf der Ratssitzung optimistisch, den Trilog heute noch erfolgreich zu Ende zu führen. Aus den Wortmeldungen verschiedener Minister:innen wurde jedoch deutlich, dass sie mit einer Einigung erst im zweiten Halbjahr unter dänischer Ratspräsidentschaft rechnen. Sie sprachen Kennzeichung, Patente und nationale Anbauverboten (Opt-out) als noch zu klärende Punkte an. Dänemark selbst schreibt im Arbeitsprogramm für seine am 1. Juli beginnende Präsidentschaft, man wolle darauf hinarbeiten, die NGT-Verhandlungen abzuschließen.

Während in der EU hinter verschlossenen Türen verhandelt wird, weigert sich in Deutschland Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer weiterhin, zur NGT-Kennzeichnung und zur Patentierung von NGT eine klare Position zu beziehen. Vergangenen Mittwoch wich er in der Befragung der Bundesregierung einer direkten Frage des grünen Abgeordneten Karl Bär nach seiner persönlichen Haltung aus. „Warum sollen wir, wenn es in der Europäischen Union noch keine Entscheidung gibt, mit nationalen Entscheidungen schon vorgreifen“, antwortete der Minister und fügte hinzu, man werde sich „am Ende des Tages“ an „wissenschaftlichen Aussagen“ orientieren. In einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte er tags drauf, das Thema sei komplex und müsse sorgfältig geprüft werden. Sollten die Dänen im zweiten Halbjahr 2025 ein Trilogergebnis erreichen, wird er sich im Rat positionieren müssen.

Was die Deutschen von ihrem Landwirtschaftsminister in Sachen Kennzeichnung erwarten, haben sie den Meinungsforschern von Civey gesagt. Diese hatten im Auftrag des Verbandes Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) 5000 Menschen gefragt, ob Rainer sich auf EU-Ebene für eine NGT-Kennzeichnung einsetzen solle. Zwei Drittel der Befragten waren eindeutig für einen solchen Einsatz, zwölf weitere Prozent waren „eher dafür“. Ebenso viele Teilnehmende äußerten sich unentschieden. Gerade mal neun Prozent wollten keinen Einsatz für eine Kennzeichnung. „Das Umfrageergebnis ist ein klarer Auftrag an Minister Rainer, sich jetzt in Brüssel für eine weiterhin vollständige Gentechnik-Kennzeichnung auch für NGT einzusetzen“, kommentierte VLOG-Geschäftsführer Alexander Hissting.

Eine klare Ansage bekam Minister Rainer auch zum Thema NGT-Patente – von einem ungewöhnlichen Bündnis aus acht Verbänden. Es sei „unerlässlich, eine umfassende Einschränkung der Patentierung biologischen Materials zur Pflanzenzüchtung, welches auch in der Natur vorkommt, vorkommen könnte oder zufällig entstanden ist, vorzunehmen“, heißt es in deren Positionspapier. Dies schließe „auch Produkte aus Verfahren der Genomeditierung“ mit ein. Getragen werden diese Aussagen vom Deutschen Bauernverband, dem Bundesverband Deutscher Milchviehhalter, dem Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter, dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Bioland, der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie der Katholischen Landjugendbewegung und der Katholischen Landvolkbewegung Deutschlands. „Der ungewöhnlich enge Schulterschluss von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft, Züchtung und Kirchen zeigt, dass wir es hier mit einem der drängendsten Probleme im Agrarsektor zu tun haben“, kommentierte Bioland-Präsident Jan Plagge das Papier. Eine rechtssichere Lösung der Patente-Frage sei unabdingbar, um die europäische Landwirtschaft und Züchtung wirksam gegen die zunehmende Patentierung von Pflanzen- und Pflanzeneigenschaften durch Konzerne zu schützen. [lf/vef]