In der am Wochenende von den Parteigremien von SPD und Linke verabschiedeten Koalitionsvereinbarung für Mecklenburg-Vorpommern findet sich ein Absatz zu neuen gentechnischen Verfahren. Beide Parteien fordern darin Bund und EU auf, neue Züchtungstechniken „zuzulassen“. Gentechnikkritiker fürchten, dass nun auch bei den Koalitionsverhandlungen im Bund die bisherige Gentechnik-Position der SPD wackelt. Schließlich leitete der alte und neue mecklenburg-vorpommersche Landwirtschaftsminister Till Backhaus für die SPD die Verhandlungen der Arbeitsgruppe Landwirtschaft für den künftigen Ampel-Vertrag.

Der Passus in der Koalitionsvereinbarung von Mecklenburg-Vorpommern (MV) lautet: „Der wissensbasierte Einsatz neuer Züchtungsmethoden ist in Zeiten des Klimawandels notwendig. Wir fordern die Zulassung neuer Züchtungstechniken beim Bund und der EU ein.“ Im eigenen Wirkungsbereich will das Land „technologieoffene Verfahren“ für „die mittelständische Pflanzenzucht in Mecklenburg-Vorpommern“ fördern.

Der erste Satz über den wissensbasierten Einsatz neuer Züchtungsmethoden stand so bereits im Wahlprogramm der Landes-SPD. Die konkrete Forderung an Bund und EU kam erst in den Koalitionsverhandlungen dazu –vermutlich nicht von der Linken. In deren Landeswahlprogramm kam im ausführlichen Landwirtschaftsteil das Thema Gentechnik gar nicht vor. Auf der Webseite der Partei heißt es, die Grüne Gentechnik sei keine Zukunftsoption, „da weder der Nutzen noch die Sicherheitsfragen bei genveränderten Pflanzen geklärt sind“. Es scheint also so, als hätte sich die MV-SPD mit ihrer gentechnikfreundlichen Haltung in den Verhandlungen durchgesetzt und inhaltlich sogar noch einen draufgesetzt.

Denn ihre Forderung an Bund und EU bedeutet im Klartext, dass sich beide für eine Deregulierung des EU-Gentechnikrechts zugunsten neuer gentechnischer Verfahren einsetzen sollen. Dieses Statement hat Gewicht, denn MV-Landwirtschaftsminister Till Backhaus hat für die SPD in der Arbeitsgruppe Landwirtschaft die Vorlage für den Koalitionsvertrag federführend ausgehandelt. Über das Ergebnispapier dieser Arbeitsgruppe ist bisher wenig bekannt. Top Agrar online schreibt, das Papier sei inhaltlich „außerordentlich dünn, heißt es im politischen Berlin. Auch das Verhandlungsklima sei nicht optimal in der Arbeitsgruppe Landwirtschaft gewesen, heißt es“.

Von der FDP ist bekannt, dass sie das EU-Gentechnikrecht gerne dereguliert sehe. Die SPD hatte im Bundestagswahlprogramm lediglich geschrieben: „Wir bleiben beim Nein zu gentechnisch veränderten Pflanzen“, und sich inhaltlich nicht weiter festgelegt. Wenn sich nun eines der großen SPD-regierten Agrarländer klar für neue gentechnische Verfahren ausspricht, könnte das die Gewichte in den abschließenden Koalitionsverhandlungen weiter zugunsten der neuen Gentechnik verschieben.

„Wollen ausgerechnet die SPD und die LINKEN den rot-roten Teppich für die Gentechnik-Industrie ausrollen und ihnen einen Freifahrtschein erteilen“, fragt Helmut Peters, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in MV. Die Versprechen der neuen Gentechnik-Verfahren seien groß. Aber weder das Hungerproblem noch die Klimakrise würden damit gelöst, argumentiert der Ackerbauer aus Rostock: „Auch neue Gentechniken bergen unkalkulierbare Risiken und sind deshalb gemäß dem Vorsorgeprinzip nach EU-Gentechnik-Recht zu regulieren“. Kritik kam auch vom Agrarexperten der Umweltorganisation BUND, Burkhard Roloff. Das Vorsorgeprinzip sowie die Wahlfreiheit von Landwirten und Verbrauchern seien die politischen Voraussetzungen für den Umgang mit neuen gentechnischen Verfahren, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. [lf]Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und DIE LINKE. Mecklenburg-Vorpommern für die 8. Legislaturperiode 2021-2026 (08.11.2021)SPD Mecklenburg-Vorpommern: Verantwortung für heute und morgen
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