Zwei Drittel der mehr als eine Million bestätigte Unterschriften, welche die europäische Bürgerinitiative „Stop Glyphosate“ (EBI) in Brüssel eingereicht hat, stammen aus Deutschland. Trotzdem will Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) auch bei der nächsten Sitzung der EU-Mitgliedsländer am 27. November wieder nicht gegen den Vorschlag der EU-Kommission stimmen, Glyphosat weitere fünf Jahre zu erlauben. Am Montag wird die EBI bei einer Anhörung im Europäischen Parlament den politischen Druck noch einmal verstärken. „Die EU muss den Unkrautvernichter jetzt verbieten, nicht in drei, fünf oder zehn Jahren“, fordert Franziska Achterberg, Greenpeace-Vertreterin in der Initiative. Die EBI verweist auf eine wachsende Anzahl an wissenschaftlichen Belegen, dass Glyphosat nicht nur die Umwelt schädigt und die Artenvielfalt zerstört, sondern auch die menschliche Gesundheit ernsthaft gefährden kann. Daher fordert sie, sämtliche auf Glyphosat basierende Spritzmittel zu verbieten und EU-weite, obligatorische Ziele festzulegen, wie der Pestizideinsatz generell reduziert werden soll. Weniger Pflanzengifte einzusetzen könnte auch agrarpolitisches Ziel einer möglichen deutschen Jamaika-Regierung werden: Es solle ein Reduktionsprogramm etabliert werden, um den Einsatz chemischer Wirkstoffe in der Landwirtschaft und außerhalb zu verringern, heißt es in einem Papier der Unterhändler von CDU/CSU, Grünen und FDP vom Mittwoch, das dem Infodienst Gentechnik vorliegt. Den Versuch, die Entscheidung über die Glyphosat-Zulassung auf EU-Ebene zu beeinflussen, will aber offenbar kein Politiker aus dem schwarz-grün-gelben Lager mehr unternehmen. „Die Frage des Glyphosat-Einsatzes wird nach einer Entscheidung der Komm aufgerufen“, so die Planung der weiteren Verhandlungen. Und vorsichtig folgt: „Gegebenenfalls werden wir nationale zusätzliche Maßnahmen im Sinne restriktiverer Anwendung ergreifen.“ Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck, der für die Grünen mitsondiert, hat das Mitwirkungsverfahren für die EU-Mitgliedsstaaten diese Woche vorsichtshalber schon mal für beendet erklärt. Offenbar hat er sich damit abgefunden, dass die geschäftsführende Bundesregierung sich bei der Abstimmung am 27.11. nach Medienberichten erneut enthalten wird. Nach Einschätzung von Experten wird damit wieder keine qualifizierte Mehrheit zustande kommen – weder für noch gegen den Vorschlag der EU-Kommission, Glyphosat weitere fünf Jahre zu erlauben. Die Kommission kann dann selbst entscheiden, die Zulassung für den Unkrautvernichter, die am 15. Dezember ausläuft, bis 2022 zu verlängern. Ursprünglich hatten Kommissionsvertreter sich gesträubt, diese Entscheidung zu treffen. Die demokratisch legitimierten Regierungen der Mitgliedsländer dürften ihre Verantwortung nicht auf die EU abschieben, so etwa Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Hier deutet sich - womöglich unter Zeitdruck - ein Umdenken an: Schon bei der vorigen Abstimmung zu Glyphosat am 25. Oktober hatte sich keine qualifizierte Mehrheit (also 16 Staaten mit 65 Prozent der EU-Bevölkerung) für den Kommissionsvorschlag gefunden. Das interpretierte ein Kommissionssprecher im Anschluss dann so, dass sich mit 14 EU-Staaten immerhin die Mehrzahl für den Kommissionsvorschlag ausgesprochen hätte (neun waren dagegen, fünf enthielten sich). Ferner verwies er darauf, dass das demokratisch legitimierte Europäische Parlament dafür plädiert hatte, Glyphosat noch bis 2022 zu erlauben. Dass dieser nicht bindende Parlamentsbeschluss vom 24. Oktober anders als der Kommissionsvorschlag nach 2022 ein endgültiges Verbot des Totalherbizids vorsieht, erwähnte er nicht. [vef]Programm der Anhörung im Europäischen Parlament zum Thema Glyphosat am 20.11., 15.00 - 18.30 UhrEuropäisches Parlament: Weitere Details zur Anhörung unter "Highlights"Infoseite der Europäischen Kommission zum Stand der Europäischen Bürgerinitiative "Stop Glyphosate"Hier können Sie die Anhörung der Europäischen Bürgerinitiative "Stop Glyphosat" im Europäischen Parlament am 20.11. ab 15 Uhr im Livestream verfolgen.Forderungspapier der Europäischen Bürgerinitiative "Stop Glyphosat"Greenpeace European Unit: EU governments reject Commission push for glyphosate (9.11.2017)Landtag Schleswig-Holstein: Glyphosat vergiftet Atmosphäre im Plenarsaal (16.11.2017)Infodienst - Glyphosat: keine Mehrheit für Einsatz ab 2018 (25.10.2017)Infodienst: Mehr als eine Million Unterschriften gegen Glyphosat (22.06.2017)Presseinfo Europäisches Parlament - Glyphosat: Parlament fordert endgültiges Verbot des Herbizids bis Ende 2022 (24.10.2017)Dossier: Gentechnik & Glyphosat ("Roundup")Dresdner Neueste Nachrichten: Jamaika und die Landwirtschaft – Mehr Öko, weniger Pestizide? (16.11.2017)